Wie unser Verpackungsstahl die Lebensmitteldose noch nachhaltiger macht
Lebensmitteldosen aus Weißblech sind dank ihrer hohen Recyclingquote schon heute die Stars der Kreislaufwirtschaft und gelten als Vorzeigematerial in Sachen nachhaltiges Verpacken. Doch es geht noch besser, finden unsere Expert:innen von thyssenkrupp Steel. An dem Produktionsstandort für Verpackungsstahl von thyssenkrupp Rasselstein in Andernach arbeiten Experten aus Produktion und Research & Development gemeinsam mit Hochschulen und Industriepartnern daran, den Herstellungsprozess von Weißblech noch nachhaltiger zu gestalten – unter anderem in den Forschungsprojekten FlexHeat2Anneal und H2-DisTherPro.
Jörn Lochstampfer arbeitet bereits seit über 25 Jahren bei thyssenkrupp Steel. Heute kümmert er sich im Bereich Center of Decarbonization um die Dekarbonisierung in den Downstreamprozessen des Unternehmens – also all den Prozessen, in denen der erzeugte Stahl weiterverarbeitet wird. „Neben dem übergeordneten Ziel ab 2027 klimafreundlichen Stahl unter anderem auf Basis von Wasserstoff zu produzieren, möchte thyssenkrupp Steel auch in seiner gesamte Prozesskette Einsparpotenziale erkennen und nutzen“, erklärt der Experte. „Zum Beispiel bei thyssenkrupp Rasselstein.“
Andernach: Die Stadt, die die Welt mit Verpackungsstahl versorgt
Dr. Peter Kirchesch ist hier bei thyssenkrupp Rasselstein Referent für Nachhaltigkeit und koordiniert unter anderem die Nachhaltigkeitsstrategie für den Verpackungsstahl. Ein Bereich mit großem Einsparpotenzial, weiß der Nachhaltigkeitsfachmann: „Als Tochterunternehmen von thyssenkrupp Steel mit Sitz in Andernach, Rheinland-Pfalz, sind wir der einzige Weißblechhersteller in Deutschland und einer der größten Produzenten für Verpackungsstahl weltweit.“ Das Unternehmen hat eine jährliche Produktionskapazität von 1,5 Millionen Tonnen des Verpackungsmaterials.
„Um unsere eigenständig gesetzten Klimaziele zu erreichen, werden wir unseren Verpackungsstahl bis 2045 vollständig klimaneutral produzieren“, erklärt Jörn Lochstampfer. „Die Transformation der Produktion von thyssenkrupp Rasselstein ist ein wichtiger Bestandteil der Dekarbonisierungsstrategie von thyssenkrupp. Denn bei der Herstellung von Verpackungsstahl können wir rund 400.000 Tonnen CO2-Emissionen einsparen.“ Kirchesch ergänzt, dass zur Erreichung dieses Ziels sowohl die verwendeten Ressourcen für die Stahlproduktion als auch die Klimabilanz der Prozessschritte in der Weiterverarbeitung relevant sind.
Vor allem in den energieintensiven Durchlaufglüh- und Haubenglühprozessen sehen die Experten die Möglichkeit, CO2-Emissionen einzusparen. „thyssenkrupp Rasselstein setzt zwei Glühverfahren ein, das diskontinuierliche Haubenglühen und das kontinuierliche Durchlaufglühen. Die Umstellungen bei beiden Verfahren bringen ihre eigenen technischen Herausforderungen mit, die wir aktuell in zwei vom ‚Bundeministerium für Wirtschaft und Klima‘ (BMWK) geförderten Forschungsprojekten prüfen“, erzählt Kirchesch.
Eines der Forschungsprojekte heißt FlexHeat2Anneal. „Es beschäftigt sich mit dem Durchlaufglühprozess der Teil der Weißblechstahlproduktion ist“, so Lochstampfer. „Diese Prozesse werden benötigt, um die beim Kaltwalzen zerstörte kristalline Struktur des Werkstoffs wiederherzustellen.“ Nur durch diese Glühprozesse erhält der Verpackungsstahl seine Formbarkeit zurück und kann später zum Beispiel zu Dosen für die Verpackung von Lebensmitteln verarbeitet werden. Dazu wird das Stahlband aktuell unter Einsatz von Erdgas auf bis zu 750 °C erhitzt. Das soll sich in Zukunft ändern – mit nachhaltiger Wärmebehandlung.
Das zweite Forschungsprojekt heißt „H2-DisTherPro“ und befasst sich mit dem Haubenglühprozess, ein weiteres Verfahren zum Rekristallisieren von Weißblech. Das Ziel von H2-DisTherPro: die klassischerweise verwendeten, kohlenstoffhaltige Brenngase vollständig durch Wasserstoff ersetzen. „Auch hier muss ein sicherer Betrieb gewährleistet, sowie eine gleichbleibend hohe Produktqualität sichergestellt werden“, betont Dr. Peter Kirchesch. „Im Duisburger Technikum des VDEh Betriebsforschungsinstituts wird im Rahmen des Forschungsvorhabens eine Versuchsanlage für die Entwicklung einer geeigneten Brennertechnologie aufgebaut.“ Parallel werden in Andernach bereits die werksinternen Energieprozesse für den späteren Einsatz angepasst.
Bye-Bye Erdgas, hallo Wasserstoff
Nachhaltigere Glühverfahren, wie sie in den beiden Forschungsprojekten FlexHeat2Anneal und H2-DisTherPro erprobt werden, bedeuten konkret, dass grüner Wasserstoff aktuell genutzte fossilen Brennstoffe wie zum Beispiel Erdgas vollständig ersetzen wird. Da Wasserstoff aber unter anderem heißer verbrennt als Erdgas, müssen im Rahmen der Forschungsprojekte weitere Bestandteile des Produktionsprozesses an den Einsatz von Wasserstoff angepasst werden – zum Beispiel der Brenner und die Strahlheizrohre aber auch die Sicherheitskonzepte. „Ziel ist, die bisherigen Abläufe der Produktion möglichst wenig durch den Wechsel zum grünen Wasserstoff zu beeinflussen“, erklärt Dr. Peter Kirchesch. „Und die hohe Qualität unseres Verpackungsstahls muss auch beim nachhaltigen Glühen gewährleistet bleiben.“
FlexHeat2Anneal & H2-DisTherPro: Nachhaltigerer Verpackungsstahl durch grünen Wasserstoff
Die Forschungsprojekte FlexHeat2Anneal und H2-DisTherPro haben eine Laufzeit von drei Jahren. Am Projekt FlexHeat2Anneal sind neben thyssenkrupp Rasselstein auch das Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik der RWTH Aachen und die WS Wärmeprozesstechnik GmbH beteiligt. Beim Projekt H2-DisTherPro arbeiten die Kolleg:innen von thyssenkrupp Rasselstein mit Expert:innen von VDEh-Betriebsforschungsinstitut GmbH, DSD Automation GmbH und thyssenkrupp Steel Europe zusammen. Kirchesch ist optimistisch: „Die Forschungsprojekte zeigen im Labor bereits erste vielversprechende Ergebnisse.“ Jetzt stehen Versuche an konkreten Produktionsanlagen an, dazu wird gerade die Infrastruktur an den Anlagen vorbereitet.
„Für den Erfolg nachhaltiger Glühverfahren ist es wichtig, dass bereits in naher Zukunft ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.“ betont Lochstampfer und Kirchesch stimmt zu: „Mit Initiativen wie etwa der nationalen Wasserstoffstrategie wird diese Notwendigkeit bereits adressiert. Der entscheidende Faktor ist jetzt das Tempo.“ Beide sind sich einig: Der Ausbau von Erzeugungskapazitäten und der Infrastruktur muss massiv vorangetrieben werden, damit die enorme Nachfrage nach Wasserstoff zukünftig bedient werden kann. Allein thyssenkrupp Steel Europe wird einer der größten europäischen Abnehmer für Wasserstoff sein.
Forschung, die allen zugutekommt
Wichtig ist die Forschung nicht nur für thyssenkrupp. „Es handelt sich dabei um Grundlagenforschung mit hohem Praxisbezug“, erklärt Jörn Lochstampfer. „Denn Brenner- und Glühprozesse kommen in diversen Industrien und Produktionsprozessen zum Einsatz.“ Die Erkenntnisse, die bei thyssenkrupp Rasselstein mit Wasserstoff in den Glühprozessen zur Herstellung von Verpackungsstahl gewonnen werden, können später auch für andere industrielle Prozesse genutzt werden. So können die Erkenntnisse in vielen anderen Industrien und weiteren thyssenkrupp-Standorten zu einer erfolgreichen Dekarbonisierung beitragen. Die Arbeit an dieser bedeutenden Transformation ist für Jörn Lochstampfer und Dr. Peter Kirchesch jeden Tag wieder die größte Motivation.
Mehr spannende Einblicke in unsere Forschung und Technologien zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion und anderen Industrien, findest du in unseren Stories.