Smart Helmet Display: Der Bordcomputer für den Motorradhelm
Weil dem 18-jährigen Johannes Lodahl bei Motorrädern der bei Autos obligatorische Bordcomputer fehlte, entwickelte der junge Tüftler kurzerhand ein eigenes System. Mit Unterstützung von thyssenkrupp entstand das „Smart Helmet Display“ – ein Bordcomputer für den Motorradhelm. Ein interessantes Projekt – und ein spannender Case, wie Unternehmen heute frühzeitig junge Talente an sich binden können.
Schon früh schraubte Johannes Lodahl an Mopeds. Ein bisschen Optik hier, etwas mehr Leistung da. Und Papa Lodahl, selbständiger Orgelbaumeister, vermittelte die ersten Grundlagen der Elektrotechnik. Schließlich hält auch im Zweiradbereich immer mehr Elektronik Einzug. Als Vertreter der besonders digitalaffinen Generation Z fuchste Johannes beim Motorradfahren allerdings der fehlende Bordcomputer und die weitgehend fehlende Möglichkeit, das eigene Smartphone mit dem Motorrad zu koppeln. Der heute 18-Jährige wollte sich damit nicht abfinden und schritt zur Tat.
Als aktivem Motorradfahrer war Johannes das größte Problem dabei durchaus bewusst: Ein Bordcomputer im Tachoelement des Motorrads würde den/die Fahrer:in zu sehr ablenken. Aber mit dem Helm, so sein Ansatz, müsste doch was gehen. Schnell entwickelte der Gymnasiast die Idee eines „Smart Helmet Displays“ (SHD): Ähnlich eines Head-up-Displays sollte das System die fahrende Person mit nützlichen Informationen versorgen, ohne die eigene Sicht von der Straße abzulenken.
Tatkräftige Unterstützung vom Antriebskomponenten-Werk Ilsenburg
Johannes schwebte ein Umbausatz vor, mit dem jeder handelsübliche Integralhelm ausgestattet werden könnte. Für die Weiterentwicklung der Idee und die Produktion erster Prototypen suchte der smarte Tüftler Unterstützung in der Industrie: Im März 2020 präsentierte Johannes sein SHD-Konzept beim Ventiltriebsspezialisten von thyssenkrupp in Ilsenburg. Dort war man von der Idee und des Engagements beeindruckt und ließ sich nicht lange bitten. Im Gegenteil: „Bereits bei der ersten Projektvorstellung konnte Johannes unser Interesse wecken, sodass wir uns intern überlegten, wie wir ein junges Talent wie Johannes frühzeitig an das Unternehmen binden können“, berichtet Nils Schöne, Communications Specialist bei thyssenkrupp in Ilsenburg.
Die Antwort: Fortan erhielt Johannes fachliche Unterstützung von den Profis aus dem Bereich der Konstruktion, beim 3D-Druckverfahren für den Bau der Prototypen und bei der Designentwicklung. Das regelmäßige Feedback von den thyssenkrupp Mitarbeitenden half Johannes dabei, einen kontinuierlichen Projektfortschritt zu erzielen. Und so ganz nebenbei lernte er eben auch das Unternehmen, die verschiedenen Abteilungen und Ansprechpartner:innen kennen.
Über die Wochen und Monate verwarf der junge Tüftler viele Ideen und entwickelte neue. Zudem entstanden diverse Prototypen und letztlich ein finales Set-up, bei dem der kompakte Mikrocontroller Arduino Nano als Recheneinheit zur Verarbeitung und Weiterleitung der Eingangssignale fungiert. Die Standard-Daten Uhrzeit und Außentemperatur liefern ein kostengünstiges Real Time Clock Modul und ein einfacher Temperatursensor. „Für umfangreichere Aufgaben reicht die Rechenleistung des Mikroprozessors ATmega328 allerdings nicht aus“, schränkt Johannes ein. „Deshalb spielt die App des Smartphones eine wichtige Rolle, die verschiedene Anwendungen nutzen kann.“
So kann bei Johannes‘ System etwa die bei Hobby-Rennsportlern beliebte App Racechrono integriert werden – ein um zahlreiche Sensorfunktionen erweiterbarer Laptimer. „Die App für den Straßenverkehr ist über eine API-Schnittstelle mit dem Online-Kartendienst Mapbox verbunden“, erklärt Johannes. „Dieser Service versorgt den Benutzer mit allen nötigen Informationen, wie Geschwindigkeit, Position, Navigationsanweisungen und Verkehrslage.“
Angezeigt werden die Daten dabei per OLED-Display im Bereich der Stirnleiste mit einem möglichst großen Abstand zwischen dem Auge des Fahrers oder der Fahrerin und dem Display. „Für eine gute Lesbarkeit wurde ein Spiegel mithilfe einer verstellbaren Halterung im Kinnbereich des Helmes verbaut“, so Johannes. „Die Erarbeitung eines gut funktionierenden Einspiegelungsverfahrens für die Daten in den Motorradhelm war tatsächlich die größte Herausforderung meines Projektes“ verrät Johannes. Dazu konstruierte der Nachwuchsingenieur eine 3D-gedruckte Apparatur mit Spiegelfolie. Aus Sicherheitsgründen verzichtete Johannes auf Glasbauteile.
Großer Erfolg bei „Jugend forscht“
Weil Johannes von seinem System überzeugt war, bewarb er sich beim berühmten Bundeswettbewerb „Jugend forscht“. Die monatelange Arbeit sollte sich für Johannes gleich doppelt auszahlen: Aus 113 Projekten schaffte es Johannes‘ SHD in die Top 10. Und weil er die Kolleginnen und Kollegen bei thyssenkrupp in Ilsenburg so nachhaltig beeindruckte, wartete nach erfolgreichem Abi ein duales Maschinenbaustudium in Ilsenburg. „Parallel absolviert Johannes bei uns eine Ausbildung zum Mechatroniker“, verrät Nils Schöne.
In Ilsenburg ist man stolz darauf, sich das vielversprechende Nachwuchstalent gesichert zu haben. „Natürlich hat Johannes‘ Projektidee auch das Interesse anderer namhafter Unternehmen geweckt“, weiß Nils Schöne. „Aufgrund der guten Zusammenarbeit und Unterstützung unserer Mitarbeitenden und der Fachrichtung des dualen Studiums entschied sich Johannes für uns. Besonders überzeugend war für ihn auch die Modernität seines zukünftigen Arbeitsbereiches, denn die Lehrwerkstatt ist mit hochmodernen Arbeitsmitteln ausgestattet und erfüllt den Industrie 4.0 Standard.“
Und wie geht es mit dem SHD weiter? In der Zwischenzeit konnte Johannes seine Idee kontinuierlich weiterentwickeln. Auch das Designkonzept überarbeitete Johannes: Das Komponentengehäuse passt sich nun besser an das Design des Integralhelmes an. Außerdem wurde die Akkulaufzeit auf 6-8 Stunden verlängert. Johannes möchte sein System gerne bis zur Marktreife entwickeln. Sein größter Wunsch ist es aber, dass weitere technikaffine Personen das Smart Helmet Display nachbauen können. Um Geld zu verdienen geht es Johannes dabei nicht: Alle Projektunterlagen zum Bau und zur Programmierung der dazugehörigen App werden in Zukunft online zur Verfügung gestellt.