Mit der Pitch Bearing Unit entwickeln wir die Windenergie weiter
Die Energiewende ist ein wichtiges Thema, das aus unserer Gegenwart und unserer Zukunft nicht mehr wegzudenken ist. Das Ziel: Die Energieversorgung nachhaltig auf erneuerbare Energiequellen umstellen – und das zu wettbewerbsfähigen Kosten. Die hieraus resultierenden wirtschaftlichen und technischen Anforderungen stellen die Branche vor neue Herausforderungen. Hier setzt thyssenkrupp rothe erde an und präsentiert eine wegweisende Produktinnovation: die Pitch Bearing Unit, kurz PBU.
In den letzten Jahren ist die Zahl der Windenergieanlagen in On- und Offshore-Anwendungen weltweit gestiegen – und ein weiterer, rasanter Anstieg zur Erreichung der Klimaziele ist geplant. Mit unseren rothe erde® Großwälzlagern, die unter anderem in Windenergieanlagen eingesetzt werden, leisten wir schon heute einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende. Wir finden, da geht noch mehr! Deshalb haben unsere Expert:innen in einem Entwicklungsprojekt mit der HAWE Hydraulik SE sowie der ITH Bolting Solutions die Pitch Bearing Unit entwickelt und bieten damit eine maßgeschneiderte Lösung für zukünftige Generationen von On- und Offshore-Windenergieanlagen.
Der Aufbau von Windenergieanlagen im Überblick
Wie die Komponenten von Windenergieanlagen im Detail aussehen? Das ist schnell erklärt! Sie setzen sich aus drei Teilen zusammen: dem Turm, der Gondel und dem Rotor. Und genau dort kommen auch unsere Großwälzlager zum Einsatz.
Der Turm sorgt dafür, dass heutige Windenergieanlagen eine Nabenhöhe von mehr als 100 Meter über dem Boden erreichen. So kann standortabhängig der Wind optimal genutzt werden. Der Rotor besteht aus einer Rotornabe, den Blattverstell- oder auch Pitchlagerungen und den Rotorblättern. Der Rotor wandelt Bewegungsenergie des Windes in mechanische Energie des Antriebsstrangs um. Die Gondel bildet das Herzstück der Anlage, denn in ihr befinden sich der Generator und das Getriebe.
Im Fokus: Die Herausforderungen bei Windkraftanlagen meistern
Um zu verstehen, was die Pitch Bearing Unit ist und welche Vorteile sie mit sich bringt, betrachten wir zuerst, vor welchen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen die Windkraft steht.
„Eine zentrale Herausforderung der Windkraft ist die Weiterentwicklung der Technologie, insbesondere vor dem Hintergrund des Größenwachstums der Turbine", erklärt Dr. Ing. Daniel Becker, Head of Bearing Calculation & Tools. Der Ingenieur arbeitet bereits seit 13 Jahren bei Rothe Erde und beschäftigt sich mit seinem Team vor allem mit Berechnungsthemen und entsprechenden Entwicklungsprojekten – so auch der PBU.
„Diese Herausforderungen gelten besonders für sehr leistungsstarke Anlagen, die Offshore, also auf dem Wasser, stehen. Dabei steht hier nicht primär die Logistik oder der Transport der Einzelkomponenten oder Baugruppen im Vordergrund, sondern vielmehr das technologische Größenwachstum der Komponenten", führt Becker weiter aus. Dies ist beispielsweise bei der Rotornabe oder beim Rotorblatt selbst der Fall, was wiederum zusätzliche Herausforderungen für die Blattverstell- oder Pitchlagerung auf Bauteil- und Komponentenebene mit sich bringt. Doch nicht nur mit der Weiterentwicklung der Technologie muss sich die Branche auseinandersetzen.
Der Fokus liegt unter anderem auch auf den sogenannten Total Costs. Das sind die Beschaffungskosten für die Komponente und zusätzlich die Aufwendungen für Logistik, Errichtung und Vor-Ort Montage der Baugruppe. Damit rücken auch grundsätzlichere Themen wie Industrialisierung und Produktivitätssteigerungen innerhalb der gesamten Lieferkette, von der Fertigung bis zur Montage, in den Fokus von Entwicklern wie Becker und seinem Team.
Dazu kommen außerdem Anforderungen immer kürzer werdender Produktentwicklungszeiten bei gleichzeitig steigendem Koordinationsbedarf zwischen den einzelnen Zulieferern sowie einer zunehmenden Standardisierung und Modularisierung von Einzelkomponenten.
Die Pitch Bearing Unit eröffnet neue Möglichkeiten
Mit der Pitch Bearing Unit hat thyssenkrupp rothe erde die eigenen Kernkompetenzen um ein neues Produkt weiterentwickelt. Aktuelle Entwicklungstrends von Multi-Megawatt-Windenergie-Anlagen zeigen, dass rotornaben- und rotorblattseitige Verformungen einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und damit auf die Lebensdauer der Blattverstell- oder Pitchlagerungen im Betrieb haben können. Genau da schafft die Pitch Bearing Unit Abhilfe.
„Die PBU wirkt auch als Versteifungselement zwischen Nabe und Pitchlagerung. Sie erhöht signifikant die strukturelle Stabilität und Steifigkeit in diesem Bereich der Windenergieanlage, was sich insbesondere bei großen und daher potenziell weichen Nabenkörpern zeigt“, erklärt Dr. Ing. Martin Neidnicht, Gruppenleiter FEM Anwendungen in der Abteilung Bearing Calculation & Tools bei Rothe Erde.
Neben dem mechanischen Vorteil bietet die PBU weitere Vorteile für die Windenergieanlage von morgen. Die Pitch Bearing Unit ist eine komplett einbaufertige Einheit und bündelt drei Funktionen in einem. In der PBU werden die Funktionen der konventionellen Blattlagerung, der hydraulischen oder elektrischen Blattverstellung sowie der Optimierung der mechanischen Systemsteifigkeiten vereint. Dadurch kann das hydraulische oder elektrische Blattverstellsystem, ohne Verbindung zur Nabe, direkt in die PBU integriert werden. Der Vorteil: Die Lieferketten von Nabe und Pitchantrieb können gezielt getrennt werden. Das spart Logistikkosten sowie Bearbeitungs- und Montageaufwand beim Nabenhersteller. Das Blattverstellsystem kann bereits bei der Montage der PBU eingestellt und getestet werden, wodurch sich die Arbeiten bei der Endmontage der Windenergieanlage vor Ort sowohl in der Komplexität als auch im Gesamtaufwand infolge des Plug-and-Play Gedankens deutlich reduzieren lassen.
Doch wo liegt der Unterschied in den Naben mit und ohne Verwendung der PBU? Die Pitch Bearing Unit macht es aufgrund ihrer konischen Form möglich, das Design von Naben völlig neu zu denken. „Durch die Verwendung der PBU kann beispielsweise die Nabe bei unveränderter Rotorblattgröße kleiner dimensioniert werden. Gleichzeitig bleiben die Blattlasten, also die Kräfte und Momente, denen die Rotorblätter standhalten und die zur Erzeugung der Energie dienen, unverändert“, so Dr. Daniel Becker. Alternativ kann mit der PBU bei unveränderter Nabengröße der Rotorblattdurchmesser erhöht werden, um zum Beispiel rotorblattseitig andere Materialien zu verwenden, andere Rotorblätter zu verbauen oder die Rotorblattlänge gezielt zu erhöhen.
Eine einfachere und kleinere Nabe sorgt außerdem für eine weniger komplexe Produktion, was die Herstellungskosten senkt. Insbesondere bei Onshore-Anlagen relevant sind aber die Transportkosten, da hier die Bauteile in der Regel in Sondertransporten über Straßen transportiert werden. Immer größer werdende Bauteile stellen durch Größe und Gewicht spezielle Anforderungen an Transportmittel. Und auf manchen Strecken müssen, beispielsweise durch zu niedrige Brückenhöhen, lange Umwege in Kauf genommen werden. Bei kleinerem Nabenkörper durch Nutzung der PBU können hier Kostenvorteile gehoben werden.
Ein weiterer Vorteil der Pitch Bearing Unit ist eine mögliche Standardisierung und Modularisierung des Bauteils Nabe. Für bestimmte Größenbereiche von Windenergieanlagen könnten so in der Zukunft Standard-Nabendesigns zum Einsatz kommen. Zunächst herstellerspezifisch, also plattformabhängig, in einem weiteren Schritt sogar auch herstellerübergreifend. Derartige Standard-Naben könnten über unterschiedliche PBUs an unterschiedliche Rotorblattdurchmesser und -verstellkonzepte angepasst werden. „Über die Standardisierung der Nabe und die Modularisierung der Pitcheinheit sind Optimierungen und Kosteneinsparungen in den Lieferketten der Windkraftanlagen-Hersteller ähnlich zum Automobilbereich denkbar", sagt Dr. Becker.
Volle Windkraft voraus: Neue Chancen und Perspektiven für die Zukunft der Windenergiebranche
Für die Windkraft ergeben sich durch die von Dr. Ing. Daniel Becker und seinem Team entwickelte Pitch Bearing Unit einige Chancen und Entwicklungsfelder. Das betrifft vor allem die Lieferketten der Hersteller von Windkraftanlagen vor dem Hintergrund von Standardisierung und Modularisierung, was eine weitere Kostenoptimierung erlaubt. Weniger Montageaufwand vor Ort bei der Installation und Inbetriebnahme der Windenergieanlage sowie die gezielte Reduktion der Herstell-, Bearbeitungs- und straßengebundenen Transportkosten der Naben sind weitere Ansatzpunkte.
Mehr Einblicke in nachhaltige Prozesse und Technologien bei thyssenkrupp gibt es in unseren Stories.