Wie Deep-Learning-Modelle die Qualitätssicherung revolutionieren
Wenn es um Qualität geht, überlassen wir bei thyssenkrupp nichts dem Zufall. Deswegen haben unsere Digitalexpert:innen von thyssenkrupp Steel KI basierte Modelle entwickelt, die unsere Qualitätssicherung auf das nächste Level bringt – zum Beispiel in der Produktion von Verpackungsstahl für Lebensmittel- und Getränkedosen.
Dank seiner idealen Eigenschaften für die Kreislaufwirtschaft ist Verpackungsstahl der Werkstoff der Zukunft – effizient, prozessoptimiert und nachhaltig. In Andernach, am weltweit größten Produktionsstandort für Verpackungsstahl, fertigt thyssenkrupp rasselstein® Weißblech für rund 400 Kund:innen in 80 Ländern und steht für Materialgüten in Premium-Qualität. Damit das so bleibt, haben sich die Kolleg:innen gemeinsam mit den Spezialisten aus dem Digital Data Lab von thyssenkrupp Steel etwas einfallen lassen.
Intelligente Kantenrissdetektion mit Deep Learning
Künstliche Intelligenz intelligent einsetzen - das ist das Motto von Yavuz Dogan und Lasse Schmidt, Data Scientists im Digital Data Lab von thyssenkrupp Steel. Gemeinsam mit dem Verpackungsstahl-Experten Christoph Schirm und seinen Kolleg:innen von thyssenkrupp Rasselstein haben sie ein System entwickelt, das Produktionsfehler von Verpackungsstahl automatisch erkennt und klassifiziert.
Die Idee dahinter ist einfach erklärt: „Fehler mit ähnlichen visuellen Mustern haben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ähnliche Ursachen“, erzählt Christoph Schirm, Teamleiter Qualitätssicherungssysteme bei thyssenkrupp Packaging Steel. Könnte man diese Fehlerbilder gezielt kategorisieren und Ursachen genauer zuordnen, so die Annahme der Experten, sei auch eine Optimierung der Produktion und somit Qualitätssteigerung besser umsetzbar.
Automatische Klassifizierung von Fehlern
Gesagt, getan? Von der ersten Idee bis zur praktischen Lösung war es ein langer Weg, erinnert sich Christoph Schirm. Dem Experten war schnell klar, für die Optimierung der Prozesse würde das Team die Unterstützung der Digitalexpert:innen aus Duisburg benötigen. Auch wenn das bisherige Oberflächeninspektionssystem (OIS) Fehlerbilder in grobe Kategorien wie „Risse“ oder „Löcher“ einordnen kann, ist es nicht in der Lage, diese nach feinen Details wie Struktur und Größe zu differenzieren.
„Die musste erst geschaffen werden“, erklärt Yavuz Dogan aus dem Team Quality Improvement und Steering (QIS) und zuständig für Mathematik und numerische Simulation bei thyssenkrupp Steel. „Für die automatische Klassifizierung haben wir ein bildbasiertes Deep-Learning-Modell entwickelt, um die Kantenfehlerbilder aus dem bestehenden OIS nach visuellen Ähnlichkeitsmerkmalen zu kategorisieren.“ Um die Entwicklung zu beschleunigen haben die Expert:innen dabei auf den Einsatz bestehender, vortrainierter und bereits erprobter Deep-Learning-Modelle gesetzt.
Aber wie kann man sich so ein Modell überhaupt vorstellen? Lasse Schmidt, Expert Data Scientist Analytics Apps bei thyssenkrupp Steel, beschreibt das Grundprinzip: „Covolutional Neural Network, ein Deep-Learning-Modell im Bereich der Bildauswertung, funktioniert wie ein Algorithmus, der versucht, das menschliche Sehen nachzubilden.“ Dazu trainieren Schmidt und Dogan das neuronale Netz mithilfe händisch klassifizierter Lerndaten so lange, bis die Einschätzungen des Modells nicht mehr von denen menschlicher Expert:innen unterschieden werden können.
Das Ziel des Deep-Learning-Modells? Es soll neue Fehlerbilder automatisch und je nach visuellen Merkmalen unterschiedlichen Riss- und Lochtypen zuordnen können. Dabei kommt es nicht darauf an, dass alle Bilder in einer Klasse exakt gleich aussehen, sondern darauf, dass die Bilder ähnliche Charakteristika aufweisen, die auf eine gemeinsame Ursache schließen lassen. Zusätzlich zu der Fehlerklasse liefert das Modell einen Zahlenwert von 0 bis 100 %, der beschreibt, wie sicher sich das Modell bei der Bewertung des Bildes ist. Während hohe Werte auf eine eindeutige Klassenzugehörigkeit hindeuten, sprechen sehr niedrige Werte dafür, dass ein Fehlerbild in keine der bestehenden Klassen richtig hineinpasst und sogar ein neuer Fehlertyp gefunden worden sein könnte.
Herausforderungen der Oberflächeninspektion
Doch wie beim Menschen macht auch bei einem Deep-Learning-Modell erst die Übung den Meister. Und so war die große Herausforderung der Digitalexpert:innen, ihrem Modell genügend Beispielbilder für verschiedene Klassen zur Verfügung zu stellen, damit es die jeweiligen Eigenschaften lernen und diese in neuen Bildern wiedererkennen kann. Dazu mussten zahlreiche Bilder gesichtet und bezeichnet werden. Aber auch hier hat sich das Projektteam – ganz nach ihrem Motto – mit künstlichen Intelligenzen eine intelligente Arbeitserleichterung geschaffen. „Wir sind mit wenigen gelabelten Beispielbildern pro Fehlerklasse gestartet und haben mit Hilfe eines rudimentären Modells versucht, die hunderttausende Bilder in der Datenbank automatisch diesen Fehlerklassen zuzuordnen“, sagt Dogan. „Diese automatische Zuordnung wurde stichprobenartig von den Expert:innen begutachtet und – falls nötig – korrigiert. Dadurch konnte iterativ die Lerndatenmenge erweitert und das Modell verbessert werden“, so Lasse Schmidt.
Mittlerweile ist auch die Integration des entwickelten Deep-Learning-Modells in die IT-Landschaft von Packaging Steel erfolgt. Dazu wurde extra ein neuer Server mit leistungsstarkem Grafikprozessor angeschafft, um die vielen Bilder schneller klassifizieren zu können als mit einem gewöhnlichen Computerprozessor. Zukünftig soll durch die Korrelation der Fehlerklassen mit den Prozessparametern die Ursachenanalyse für das Auftreten verschiedener Fehlertypen unterstützt werden, um Ausfall- und Nacharbeitskosten zu reduzieren.
Deep-Learning-Modell in 2 Wochen entwickelt
Mit dem erfolgreichen Projektverlauf sind die Digitalexpert:innen sehr zufrieden. „Das gesamte Projekt wurde mit Hilfe von Open-Source-Tools vollständig selbst entwickelt. Mit einer vergleichbar kommerziellen Entwicklung würden wir im sechsstelligen Bereich landen“, erklärt Yavuz Dogan. Hinzu kommt die unglaublich schnelle Entwicklungszeit von nur zwei Wochen.
Der Ansturm anderer verantwortlichen Personen auf Yavuz Dogan, Lasse Schmidt und ihr Deep-Learning-Modell ist entsprechend groß. „Modelle wie unser Deep-Learning-Modell können nicht ohne weiteres andernorts implementiert werden, es handelt sich um maßgeschneiderte Lösungen. Inzwischen verfügen wir über genug Methodenkompetenz und Codebausteine, um entsprechende Lösungen auch für neue Problemstellungen rasch zu entwickeln“, so Lasse Schmidt. Um neue Fehlerarten zu erkennen, muss das System mit einer ausreichend großen Anzahl an neuen Bildern gefüttert werden. Demnach müssen Fehlerbilder vorab manuell klassifiziert, das Modell angepasst und erneut trainiert werden. „Trotzdem freuen wir uns natürlich über die vielen Anfragen für Bilderkennungsalgorithmen und über die positive Resonanz zu unserem Modell zur Kantenrissdetektion“, so Yavuz Dogan.