Fahrwerk-Profis auch bei Datenanalyse auf der Überholspur
Wer an thyssenkrupp BILSTEIN denkt, denkt in erster Linie an hochtourige Autos und High-Performance-Stoßdämpfer statt an Big Data und Digitalisierung. Tatsächlich sind es aber diese modernen Technologien, die den berühmten Fahrspaß erst auf die Straße bringen. Dr. Alex Birnkraut, Data Scientist bei thyssenkrupp BILSTEIN, weiß warum und erzählt uns, wie er und sein Team die Digitalisierung bei BILSTEIN vorantreiben.
Als Data Scientist hat Dr. Alex Birnkraut bei thyssenkrupp BILSTEIN immer dann seine Finger im Spiel, wenn Daten aus der Produktion verarbeitet, gespeichert und im großen Stil analysiert werden müssen. Kein Wunder also, dass Birnkraut und sein Team auch an dem neusten Digitalisierungsprojekt von BILSTEIN beteiligt sind: der „Connected Factory“.
Vorteile der Digitalisierung des Stoßdämpfer-Spezialisten
Unter dem Begriff „Connected Factory“ verstehen die Expert:innen eine Datenarchitektur, die durch eine einheitliche und sichere Anbindung aller Maschinen mit anschließender Datenspeicherung den Status der Produktion abrufbar macht und so unterschiedliche Anforderungen erfüllen kann. Kurzum: „Die Connected Factory trägt zur Transparenz unserer Produktionsprozesse bei und ermöglicht uns eine schnelle Bereitstellung von Daten für Ad-hoc-Analysen“, erklärt Dr. Alex Birnkraut.
Neben der Datentransparenz reduziert eine Connected Factory durch die eingeführte Standardisierung auch den Wartungsaufwand der produktionsnahen Software-Landschaft. „Die großen Chancen liegen in dem zur Verfügung stehenden Datenpool, der sehr breite Möglichkeiten zur Optimierung interner Prozesse bietet“, erklärt Birnkraut begeistert. „Wir müssen genau nachvollziehen, wo bei unseren Prozessen Verbesserungspotential besteht. Dann können wir den Prozess gezielt und effizient optimieren oder die Ergebnisse transparent an unsere Kund:innen kommunizieren. Auch können wir auf diese Weise Produktionsschritte nachvollziehbar darstellen“, so der Experte.
Big Data und die Geburtsstunde der Connected Factory
Das Projekt „Connected Factory“ ist eine interne Entwicklung von thyssenkrupp BILSTEIN. Zum Projektstart hat das Team um Alex Birnkraut das Gespräch mit anderen Unternehmen und Expert:innen auf dem Gebiet von Big Data gesucht: „Zu Beginn hatten wir einen Erfahrungsaustausch mit dem Lenkungsgeschäft von thyssenkrupp und haben uns auch außerhalb der Unternehmensgruppe mit Expert:innen von Microsoft und Intel ausgetauscht“, so Dr. Alex Birnkraut.
Anreiz für das Projekt war eine sehr heterogene und unübersichtliche Struktur in der Sicherung von Produktionsdaten, erinnert sich das Team. „Die alte Vorgehensweise machte es unmöglich, schnell auf Anfragen zu reagieren, da die Datenaufbereitung zu lange dauerte“, beschreibt Birnkraut die Zeit vor der Einführung der Connected Factory. Mit dem neuen Ansatz soll es jetzt möglich sein, schnell auf Daten zuzugreifen und proaktive Analysen zu starten.
Durch den vereinheitlichten Ansatz und eine zentrale Logik stehen die Daten nun unmittelbar bereit und können sofort durch Dashboards geprüft werden. So stellt das System der Connected Factory sicher, dass die Datenqualität stimmt. Aber wo fängt man eigentlich an, wenn man eine ganze Produktion digitalisieren möchte? „Zunächst haben wir die Stärken und Schwächen unserer bisherigen Softwareanwendungen bestimmt", erklärt Alex Birnkraut. „Darüber hinaus haben wir unsere eigenen Anforderungen mit denen unserer Kund:innen gebündelt.“
Voraussetzungen für den Erfolg von Connected-Factory-Konzepten
Eine Investition mit viel Einsparpotenzial, wie eine Testphase im rumänischen Werk von thyssenkrupp BILSTEIN bestätigt: „In unserem Werk in Rumänien konnte auf Basis der Daten aus dem Connected-Factory-Konzept eine kleine Analyse gestartet werden, die ein Einsparpotential von etwa 100.000 Euro jährlich sichtbar gemacht hat.“ 100.000 Euro jährlich an nur einem Standort, das verschafft einen ersten Eindruck des enormen Einsparpotenzials, das der Einsatz von Big Data ermöglicht.
Doch bis zur erfolgreichen Integration einer Connected Factory müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein – von der Technik für die Datenspeicherung bis hin zum Know-how des Teams. „Um die Maschinensteuerung auszulesen, nutzen wir Protokolle von Open Platform Communications (OPC) oder speicherprogrammierbarer Steuerung (SPS). Um die Daten zu speichern, greifen wir bislang auf SQL-Datenbanken zurück. Darin sind Daten in festen Tabellenschemas eingeordnet. Bald sollen aber auch NoSQL-Datenbanken hinzukommen, bei denen es kein festes Tabellenschema gibt“, klärt der Experte auf. Die viel wichtigere Voraussetzung, das verrät Alex Birnkraut, ist allerdings der Ausbau des internen Know-hows. Das umfasst sowohl das Wissen um die entsprechenden Technologien als auch um die eigenen internen Produktionsprozesse.
Die größte Herausforderung ist, laut Birnkraut, der Veränderungsprozess in der Organisation: „Das Bewusstsein zu schaffen, dass die Datenqualität bereits wichtig ist, wenn alle Prozesse noch scheinbar stabil laufen und nur tägliches Arbeiten mit den Daten die dauerhafte Qualität sicherstellt. Das gilt es zu meistern, um die Connected Factory optimal zu nutzen und zu einem selbstverständlichen Teil unseren Arbeitsalltags werden zu lassen.“
Zukunftsaussichten für die Connected Factory
Die nächsten Schritte zur Connected Factory sind für BILSTEIN die abschließenden Anbindungen aller vorbereiteten Anlagen weltweit sowie die Datenvalidierung durch die entsprechend zuständigen Fachbereiche. „Vor allem dieser letzte Schritt ist zwingend notwendig, um weitere Schritte in Richtung Digitalisierung wie Machine-Learning-Algorithmen entwickeln zu können“, so der Experte.
Dr. Birnkraut glaubt, dass moderne Produktionssteuerung in Zukunft nicht mehr ohne Konzepte wie Connected Factory funktionieren wird. Dafür gibt es zwei Treiber: zum einen die eigene, interne Optimierung von Produktionsschritten und -prozessen, zum anderen Anforderungen durch Kund:innen, für die ein Produkt nur mit den dazugehörigen Daten vollständig ist.
Die Entwicklung des Bereichs Data Science ist dabei sehr eng mit dem ersten Treiber verknüpft. „Die klassischen Analysemöglichkeiten stoßen an einem gewissen Punkt an ihre Grenzen. Daher werden die kleinen Optimierungsschritte und Data-Science-Projekte in Zukunft immer wichtiger“, ist sich der Data Scientist sicher.
Mehr Digitalisierungsthemen von thyssenkrupp gibt es in unseren Digi-Stories.