Alternative Kraftstoffe: Ohne Erdöl fährt sich’s nachhaltiger
Autofahrten, Flugreisen und Schiffsverkehr sind fester Bestandteil unserer globalisierten Welt, aber auch eine Gefahr für unser Klima. Alternative Kraftstoffe aus Biomasse oder auf Basis von Wasserstoff bieten vielversprechende Lösungen für das Mobilitäts-Dilemma: Mit den richtigen Technologien sind sie klimaneutral produzierbar – und damit eine große Hoffnung für die Verkehrswende.
Mobil zu sein ist für die meisten von uns ganz selbstverständlich. Wir fahren mit dem Auto zur Arbeit, fliegen per Airliner in den Urlaub und auch der Kreuzfahrt-Tourismus wächst nach wie vor. Mobilität bedeutet Freiheit, ermöglicht uns, die Welt kennenzulernen – und ist manchmal einfach nur komfortabel. Doch sie hat auch Schattenseiten. So lässt sich rund ein Viertel des weltweiten CO2-Ausstoßes auf unseren Verkehr zurückführen. Schließlich wird das vor Jahrtausenden in Mineralöl gebundene Gas beim Verbrennen unserer fossilen Treibstoffe freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre.
Auch bei der aufstrebenden E-Mobilität ist der Anspruch, ausschließlich Strom aus regenerativen Quellen zu nutzen, derzeit noch weit von der Wirklichkeit entfernt. Damit tragen unsere Fortbewegungsmittel ganz entscheidend zum Klimawandel bei. Zumal fossile Brennstoffe schon per Definition endlich sind und der Menschheit früher oder später zwangsläufig ausgehen werden. Wir brauchen also Alternativen zu klassischem Benzin, Diesel und Kerosin. Grüne, regenerative Alternativen.
Biokraftstoffe: Mobilität, powered by nature
Die gute Nachricht: Es gibt diese Alternativen bereits – etwa in Form von Biokraftstoffen. Die Klassiker sind einerseits der auf Pflanzenöl basierende Biodiesel sowie andererseits Bio-Ethanol, der aus Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Weizen gewonnen wird. Weil diese pflanzlichen Rohstoffe immer wieder nachwachsen, ist die Verbrennung im Motor grundsätzlich klimaneutral: Das beim Fahren freigesetzte CO2 beschränkt sich auf jene Mengen, die die Pflanzen zuvor aufgenommen haben – ein nachhaltiger Kreislauf entsteht.
Aktuell ist der Anteil von Biokraftstoffen an der Gesamtmenge des verbrauchten Sprits zwar noch gering – 2014 waren es magere 5,1 Prozent. Für die Zukunft schätzen Experten aber, dass mehr Biokraftstoffe in unseren Tanks landen. Die Internationale Energie-Agentur prognostiziert, dass im Jahr 2045 etwa 20 Prozent des Straßenverkehrs durch pflanzlichen Sprit angetrieben wird.
BioTfuel: Pflanzenreste in den Tank
Da passt es gut, dass wir bei thyssenkrupp ein klares Ziel haben: Wir wollen bis 2050 klimaneutral werden – und das beziehen wir auch auf jene Emissionen, die bei der Anwendung unserer Produkte entstehen. Deshalb arbeiten wir weiter an der Zukunft grüner Treibstoffe.
Mit unserem Projekt BioTfuel zielen wir genau in diese Richtung: Mit der innovativen Technologie wollen unsere Energie-Experten die günstige und somit massentaugliche Produktion von Btl-Treibstoff ermöglichen. „Btl“ steht dabei für „Biomass to liquids“ – Biomasseverflüssigung – und beschreibt genau den Herstellungsprozess der neuen Biokraftstoffe: Aus Biomasse, also natürlichem Abfall wie Grünschnitt, Stroh und Holzresten, wird hochwertiger Flugtreibstoff und Diesel. Das ist ein großer Vorteil gegenüber der alten Biokraftstoff-Generation, für die essbare Pflanzen wie Raps, Mais oder Zuckerrohr verarbeitet werden. Ein Umstand, der angesichts von Nahrungsmangel vielerorts auf der Welt für Kritik sorgte und die „Tank-oder-Teller-Debatte“ definierte.
Bei Erfolg des Projekts könnte der Btl-Sprit pur oder in einem Mix mit fossilem Kraftstoff angeboten werden: für alle mit Diesel oder Kerosin angetriebenen Motoren und anderen Triebwerke, egal ob sie in Pkws, Lastwagen, Zügen, Schiffen oder Flugzeugen ihren Zweck erfüllen. Eine Umrüstung wird somit nicht notwendig sein. Und das beste zum Schluss: Die neuartigen Biokraftstoffe sparen 90 Prozent der CO2-Emissionen von konventionellem Sprit ein.
E-Fuels: Mit grünem Wasserstoff zur Verkehrswende
Neben alternativen Kraftstoffen auf pflanzlicher Basis werden auch die sogenannten „E-Fuels“ heiß diskutiert. Dabei handelt es sich um künstliche Kraftstoffe auf Grundlage von grünem Wasserstoff. Grün, weil die Energie für die benötigte Wasserelektrolyse aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird. Die Idee ist simpel: Aus Wasserstoff und CO2 entsteht in Reaktion Methan – und damit die wichtigste Zutat für grünen, synthetisch hergestellten und erdölfreien Sprit.
Ein Weg dorthin ist unsere Carbon2Chem-Initiative – ein weltweit einmaliges Großprojekt, bei dem die bei der Stahlherstellung entstehenden Hüttengase, darunter besonders das klimaschädigende CO2, nicht mehr verbrannt, sondern in wertvolle Rohstoffe wie Methanol oder Ammoniak verwandelt werden. Hüttengase enthalten chemische Elemente wie Stickstoff, Wasserstoff und vor allem CO2. Unsere Experten verarbeiten die Stoffe zum Vorprodukt für Methanol weiter, aus dem im letzten Schritt Treibstoff hergestellt werden kann. In fünf bis zehn Jahren könnte unsere innovative Technologie im industriellen Maßstab eingesetzt werden.
Oxyfuel: Aus CO2 wird Synthese-Treibstoff
Auch in der energieintensiven Zementindustrie, die etwa sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, liegen Chancen für E-Fuels: Mit unserem Oxyfuel-Verfahren lässt sich das schädliche Klimagas CO2 in konzentrierter Form abtrennen – und unter anderem als Treibstoff nutzbar machen. In unserem innovativen Verfahren wird der Brennvorgang der Klinkerherstellung nicht wie üblich mit Umgebungsluft, sondern mit reinem Sauerstoff betrieben. Somit gelangt kaum Stickstoff mehr in den Brennvorgang – hochkonzentriertes CO2 entsteht. In dieser Form kann das Gas schließlich abgetrennt werden, sodass es nicht in die Atmosphäre gelangt. Dank seiner Reinheit und mithilfe weiterer Technologien kann das Treibhausgas dann zu einem Rohstoff umgewandelt werden – und bildet so die Grundlage für die Produktion beispielsweise von beispielsweise Düngemitteln, Plastik, aber genauso synthetischen Kraftstoffen.
Verkehrswende: Experten sehen alternative Kraftstoffe als wichtigen Bestandteil
Die aktuelle Klimadebatte ermöglicht neue Chancen für pflanzliche und synthetische Alternativ-Kraftstoffe. Ihr Durchbruch hätte das Potenzial, einen elementaren Beitrag zum Klimaschutz zu liefern. Manfred Aigner ist Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. In einem aktuellen Gespräch mit dem Handelsblatt betonte der Berater des Bundeswirtschaftsministeriums, dass Biokraftstoffe und E-Fuels zwar keine Alternative zur Elektromobilität darstellten, für die Energiewende aber elementar seien. Denn: Gerade bei Flugzeugen und Schiffen, bei denen elektrische Antriebe keine echte Option seien, sind klimaneutrale Kraftstoffe eine echte Alternative.
Bezahlbare Preise vorausgesetzt, ist laut einer aktuellen Yougov-Umfrage aber auch die Mehrheit der deutschen Autofahrer bereit, nachhaltig zu tanken. Die Zeichen für die Verkehrswende stehen also auch auf der Straße auf grün.