Kabel statt Kohle: So sieht die Klimawende im Zementwerk aus
Zement ist überall. In unseren Häusern, Brücken, Straßen – und doch ist kaum jemandem bewusst, wie viel CO2 dabei entsteht, ihn herzustellen. Die Zementindustrie verursacht rund 7 % der globalen Treibhausgasemissionen. Kein Wunder: Bei der Herstellung braucht es extrem hohe Temperaturen – bislang erzeugt durch Kohle, Öl oder Gas. Genau hier setzen thyssenkrupp Polysius und das schwedische Unternehmen SaltX an. Sie haben sich zusammengetan, um diesen Prozess grundlegend zu verändern – mit elektrischer Energie statt fossiler Brennstoffe.
Heiße Öfen, hohe Emissionen in der Zementherstellung
Um Zement herzustellen, wird Kalkstein auf über 1000 Grad erhitzt. Dabei entsteht sogenannter „gebrannter Kalk“ – eine zentrale Zutat, nämlich das Hauptbindemittel, für Zement. Diesen Schritt nennt man Kalzinierung. Er ist unverzichtbar, aber auch ein echter Klimakiller: Nicht nur die Verbrennung fossiler Energieträger verursacht CO2, sondern auch die chemische Reaktion selbst setzt große Mengen frei.
Die globale Zementproduktion steigt – und verursacht hohe Emissionen. Das erfordert innovative Ansätze.
Die Idee: Feuer durch Strom ersetzen – klimafreundliche Zementproduktion
Die Lösung von SaltX klingt fast zu einfach, um wahr zu sein: Statt den Kalkstein mit Gas oder Kohle zu erhitzen, nutzen sie einen elektrischen Lichtbogen, ähnlich wie bei einem Schweißgerät – nur viel größer. Diese Technologie heißt Electric Arc Calciner (EAC). Sie kann genauso hohe Temperaturen erzeugen, aber ohne die Flamme – und ohne fossile Brennstoffe. Wird der Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, ist die Kalzinierung nahezu emissionsfrei.
Wenn Industriepower und Cleantech-Innovation zusammenkommen
SaltX ist ein Start-up aus Schweden, das sich auf die Elektrifizierung industrieller Prozesse spezialisiert hat. Mit dem EAC haben sie eine patentierte Lösung entwickelt, die es so bisher nicht gab. Was ihnen fehlte, war ein Partner mit industrieller Erfahrung, um die Technologie in die Praxis zu bringen. Genau das bringt thyssenkrupp Polysius mit: jahrzehntelanges Know-how im Bau großer Anlagen und der Entwicklung und Integration neuer Technologien – weltweit.
Ein Beispiel: polysius® activated clay. Mit dieser Technologie lassen sich die CO2-Emissionen in der Zementindustrie um bis zu ein Drittel senken. Der Trick: Ein Teil des Zementklinkers wird durch kalzinierten Ton ersetzt – ein thermisch aktivierter Ton, der bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen von nur 800 bis 900 °C verarbeitet wird. Zum Vergleich: Die klassische Klinkerherstellung benötigt deutlich mehr Hitze. So lassen sich bis zu 85 % CO2 pro Tonne Material einsparen.
„Wir ergänzen uns perfekt“, meint Lukas Schoeneck, Leiter der grünen Lösungen bei thyssenkrupp Polysius. „Start-up-Spirit trifft auf Industriewissen. So schaffen wir etwas, das größer ist als die Summe seiner Teile. Und einen echten Mehrwert für die Welt von morgen bietet.“
Die Partnerschaft von thyssenkrupp Polysius und SaltX vereint Innovation und Erfahrung.
So wird aus Vision Realität: Elektrifizierung von Zementwerken
Aktuell arbeiten die beiden Partner an einem gemeinsamen Pilotprojekt. Ziel ist es, die EAC-Technologie in eine echte Produktionsumgebung zu integrieren – nicht nur im Zementbereich, sondern auch in der Kalkindustrie und im Bereich Direct-Air-Capture (DAC). Gerade DAC – also das Herausfiltern von CO2 direkt aus der Luft – könnte enorm von der emissionsfreien Hochtemperatur-Technologie profitieren.
Lina Jorheden, CEO von SaltX, bringt es auf den Punkt: „Gemeinsam können wir neue Maßstäbe setzen – und Produktionsanlagen entwickeln, die vollständig elektrifiziert und emissionsfrei sind.“
Natürlich ist so ein Wandel nicht einfach. Bestehende Anlagen müssen umgebaut werden, Stromnetze angepasst, Prozesse neu gedacht. Aber genau deshalb setzen die Partner auf modulare Dekarbonisierungslösungen, die sich Stück für Stück integrieren lassen. Außerdem soll der EAC so entwickelt werden, dass er flexibel ein- und ausgeschaltet werden kann – ein echter Vorteil gegenüber den klassischen Öfen.
Groß denken, grün handeln – die Zukunft der Zementproduktion
Die Vision ist klar: Zementwerke ohne CO2-Ausstoß. Und das ist keine Zukunftsmusik. Wenn Politik, Wirtschaft und Forschung an einem Strang ziehen, kann der Umstieg schneller gehen, als viele glauben. Denn der Druck steigt – nicht nur durch Klimaziele, sondern auch durch Gesetze, CO2-Preise und die Erwartungen der Gesellschaft.
„Unternehmen, die früh auf grüne Technologien setzen, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil“, betont Lukas Schoeneck. „Und sie zeigen Verantwortung für Mensch und Umwelt.“
Alles, was Du zu nachhaltigen Prozessen in der Zementindustrie wissen musst
Kalzinierung ist der Prozess, bei dem Kalkstein auf über 1000 Grad erhitzt wird, um daraus gebrannten Kalk zu gewinnen – das Hauptbindemittel für Zement. Dabei entstehen große Mengen CO2, sowohl durch die Hitze als auch durch die chemische Reaktion.